Polizeieinsätze bei Menschen im psychischen Ausnahmezustand können herausfordernd sein. Darüber professionell, das heißt auch differenziert zu berichten, ist ebenso eine Herausforderung – vor allem wenn der Einsatz mit Schwerverletzten oder Todesfolgen endet. Natürlich solidarisieren wir uns spontan mit dem Opfer.
Wir empfinden tiefes Mitgefühl mit den Angehörigen, haben doch viele von uns eigene Erfahrungen mit Krisensituationen. Wie schlimm muss es für eine Familie sein, die nach Deutschland kam in der Hoffnung auf ein sicheres und friedliches Leben, wenn ein Familienmitglied bei einem Polizeieinsatz ums Leben kommt. Es kann sein, dass rassistische Einstellungen dabei eine Rolle spielen: Wir müssen mit Erschrecken feststellen, dass sie in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind, und dies leider auch bei der Polizei.
Andererseits wäre es nicht angemessen, Polizisten bei einem Einsatz, der ein schlimmes Ende nahm, prinzipiell zu unterstellen, dass sie solche Motive haben, und anzunehmen, dass sie auf psychisch erkrankte Menschen mit einem Migrationshintergrund brutal einprügeln (1).
Menschen im psychischen Ausnahmezustand entfalten ungeahnte Kräfte, deshalb ist es zwar ratsam, aber leider nicht immer möglich, ihnen mit einer Personen-Überzahl zu begegnen, und dann das de-eskalierende Gespräch zu suchen. Viele psychisch erkrankte Menschen sind auch körperlich in schlechter Verfassung, leiden Medikamenten-bedingt unter Übergewicht mit all den gesundheitlichen Folgeerscheinungen, die bei Stress schnell lebensbedrohlich werden können.
Wir sollten zunächst Gerichten überlassen, konkrete Vorfälle, die derzeit wieder Schlagzeilen machen, zu bewerten (1).
Diese Ereignisse sollten aber dennoch Anlass sein, erneut zu prüfen, ob
- Polizisten durch kontinuierlich verbesserte Aus- und Weiterbildung noch besser auf Einsätze bei Menschen im psychischen Ausnahmezustand vorbereitet werden können – was allerdings wohl in Baden-Württemberg bereits geschieht (2),
- ein etablierter Krisendienst, wie wir ihn seit längerem fordern, die Häufigkeit solcher Polizeieinsätze reduzieren könnte,
- eine eigene Nummer (113) für psychische Krisen und dem Krisendienst im Hintergrund, manch einen Polizeieinsatz mit eventuell traumatisierenden Erfahrungen für alle Beteiligten unnötig machen könnte.
(1) Vor dem Mannheimer Landgericht wird seit dem 12. Januar ein Fall verhandelt, der im Mai 2022 für Aufsehen gesorgt hat: Zwei Polizisten werden der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge beschuldigt.
(2) Polizei Mannheim: Personal wird im Umgang mit psychisch kranken Menschen geschult: Rund 500 Männer und Frauen im Polizeidienst haben und werden Schulungen durchlaufen, um ihr Verständnis für den Umgang mit Psychiatrie-Patienten zu verbessern.